Er hatte den Sekretär in seine Einzelteile zerlegt. Die Schübe, Wände, Scharniere und Beschläge lagen vor ihm auf der Werkbank. Und eine Notiz, sie war an der Innenwand des Sekretärs befestigt gewesen – handgeschrieben vom Erbauer des Möbels im Jahr 1845.

„Das ist wie Schatzsuchen“, sagt Michael Wintjen, Möbelrestaurator in der Schmargendorfer Straße im Gespräch mit stadt im ohr bei der Recherche für den Hörspaziergang Friedenau. Manchmal findet er auch Geheimfächer, von denen selbst seine Kunden, die Besitzer der Möbelstücke, nichts wussten. Darin liegt dann eine Brosche oder ein alter Prägestempel, ein Gruß aus einer Zeit, als an Friedenau noch nicht zu denken und hier ein brandenburgischer Kartoffelacker war.

Die Sessel und Schreibtische, Schränke und Schaukelpferde, denen Wintjen zu neuem Glanz verhilft, erzählen Geschichten, ebenso wie die Remise, in der seit drei Generationen die Restaurationswerkstatt untergebracht ist. In den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts hatte ein Maler hier sein Atelier. Das Souterrain, wo Wintjens große Maschinen stehen, war Stellplatz für Kutschen. Aber seit gut 60 Jahren stapeln sich hier Furniere, an den Wänden hängen Schraubzwingen jeglicher Größe, im Regal stehen Einweckgläser mit Farbpigmenten.

„Was altes Material angeht, Beschläge, Schellackvorräte, Leimvorräte: da muss ich mir nicht mehr viel zulegen. Das wird reichen, bis ich in Rente gehe. Sind ja immer nur Bruchteile von Furnieren, die man ergänzt.“

Zweimal im Jahr gibt es Kultur im Restaurierungs-Atelier: Beim Literaturrundgang liest ein Friedenauer Autor in der Werkstatt. Und zur „Südwestpassage“ im kommenden Herbst lädt Wintjen einen Bildhauer, einen Drechsler und eine Geigenbauerin ein, mit ihm das eindrucksvolle Ambiente zu bespielen.

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