Um sechs Uhr in der Früh‘ klingelte der Montagemeister bei seinem Chef Hermann Noack Sturm:
„Die Quadriga ist weg!“ Der damals 26 Jahre alte Hermann III. erinnert sich noch heute an diesen 3. August 1958. Er hatte gerade erst die Leitung der Kunstgießerei von seinem Vater Hermann II. übernommen. Damit oblag ihm auch die Fertigstellung der Replik der Schadowschen Figurengruppe, die im zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört worden war. Am Vortag hatte er sie vor dem ebenfalls rekonstruierten Brandenburger Tor aufgestellt. Zwei Tage hatten der Transport von der Werkstatt in der Friedenauer Fehlerstraße bis zum Pariser Platz und das Zusammensetzen der Einzelteile dort gedauert. Und nun sollte sie verschwunden sein?
„Ich hab mich sofort angezogen und bin dann mit dem Auto dahin gefahren. Und die Quadriga war wirklich weg! Der Osten hat die über Nacht abgebaut und versteckt – über Monate!“ Als sie schließlich wieder auftauchte und auf dem Tor installiert wurde, fehlten der Wagenlenkerin das Eiserne Kreuz und der Adler. Symbole, die der Ostberliner Magistrat für nicht mehr zeitgemäß befunden und entfernen lassen hatte. Mit dem nun leeren Lorbeerkranz war der göttlichen Chauffeurin im Berliner Volksmund ein Monokel verpasst worden.
Saurer Regen und die Silvesternacht 1989 hatte dem Brandenburger Tor zugesetzt
Über dreißig Jahre später war die die nächste Restaurierung der Plastik fällig. Saurer Regen hatte dem Brandenburger Tor und der Quadriga ebenso zugesetzt wie die wilde Silvesternacht 1989/90. Die neue Zeit setzte das Eiserne Kreuz zurück auf die Lanze, und auch der Adler ließ sich wieder nieder.
Wenn Hermann III., der die Bildgießerei Noack inzwischen an seinen Sohn, Hermann IV. übergeben hat, mit stadt im ohr für den akustischen Stadtspaziergang Friedenau über den Arbeitsalltag in seiner Firma spricht, werden immer wieder Ereignisse der deutschen Geschichte lebendig. So berichtet er über die Entstehung des sowjetischen Ehrenmals im Treptower Park, die Zusammenarbeit mit Henry Moore an der Großplastik Butterfly (zu sehen am Haus der Kulturen der Welt) oder den ersten Berlinale-Bären, der aussah, als hätte er sich in die Hosen gemacht.
110 Jahre waren die Bronzegießer der Familie Noack in Friedenau tätig, bis sie 2009 die neue Produktionshalle am Spreebogen in Charlottenburg bezogen.